Erzieherin unter Mordverdacht: Weitere Misshandlungen bekannt

Foto: Tobias Großer

Viersen. Nach dem Tod einer Dreijährigen in einer Kindertagesstätte in Viersen, befindet sich seit dem 20. Mai eine zum Tatzeitpunkt in der Einrichtung tätige Erzieherin in Untersuchungshaft, die zu den Vorwürfen schweigt. Am Donnerstag gaben Polizei und Staatsanwaltschaft weitere Einzelheiten zum bisherigen Stand der Ermittlungen bekannt.

Vor der Kita wurden nach Bekanntwerden der Tat Gedenksteine abgelegt. Foto: Sascha Rixkens

Am Morgen des 21. April 2020 wurde die damals zweijährige Greta von ihrer Mutter in die Kindertagesstätte gebracht. Aufgrund der Corona-Pandemie befand sie sich alleine mit ihrem Bezugsbetreuer und der späteren Tatverdächtigen in einer Notgruppe. Die andere Gruppe, in der an diesem Tage vier Kinder untergebracht waren, wurde strikt von dieser getrennt. Über den gesamten Morgen wurde mit Greta im Innen- sowie Außenbereich der Kita gespielt und zu Mittag gegessen. Gegen halb zwei habe der Bezugsbetreuer dann seinen Dienst beendet. Die Beschuldigte habe kurz zuvor das Kind schlafe gelegt. Während die Kinder schlafen sei es üblich, dass im Viertelstundentakt Atemkontrollen durchgeführt werden. Dies geschah fortlaufend und durch Handauflegen auf der Brust, bis die mutmaßliche Täterin gegen 14.45 Uhr einen Atemstillstand feststellte. Greta zeigte auf Ansprache keinerlei Reaktionen, ihr Körper wies eine blasse Hautfarbe auf. Sofort habe die Erzieherin dann weitere Kollegen aus der Nebengruppe informiert, in der sich zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Kinder mehr befanden. Nochmals habe man dann versucht, das Mädchen zu wecken und dabei eine bläuliche Hautfarbe festgestellt. Unter Anleitung der Feuerwehr Viersen wurden dann Reanimationsmaßnahmen eingeleitet, die der eintreffende Notarzt letztlich übernahm. Die Zweijährige wurde der Kinderklinik Viersen zugeführt, wo sie jedoch zu keinem Zeitpunkt mehr das Bewusstsein erlangte. Am Abend des 29. April meldete sich dann ein Arzt der Klinik bei der Kriminalwache und berichtete davon, dass sich ein schwer verletztes Mädchen in Behandlung befinde. Für diesen Zustand habe es jedoch keine Anhaltspunkte gegeben, erklärt Guido Roßkamp, Leiter der Mordkommission. Da alle Untersuchungen keinerlei Befunde ergaben, wurde die Rechtsmedizin zu Rate gezogen. Am Montag, dem 04. Mai, einen Tag nach ihrem dritten Geburtstag, trat der Hirntod ein. Am Folgetag fand die Obduktion statt, bei der ein hypoxischer Hirnschaden, eine schwere Schädigung des Gehirns durch massiven Sauerstoffmangel, festgestellt wurde. Aufgrund einer starken Ausbildung von Petechien, roten Punkten im Bereich der Augenlider und des Gesichtes durch eine Sauerstoffunterversorgung, die nach eigenen Angaben von der Beschuldigten selbst festgestellt wurden, ist von einer Fremdeinwirkung auf das Kind auszugehen. Nach umfangreichen Vernehmungen steht fest, dass zum tatrelevanten Zeitpunkt keine weitere Person die Räumlichkeit betreten haben kann.

Oberstaatsanwalt Lothar Gathen Foto: Tobias Großer

Die 25-Jährige wurde am 19. Mai festgenommen und am Folgtag dem Haftrichter vorgeführt, der die Untersuchungshaft anordnete. Dem Haftbefehl liegen zwei Taten zugrunde: heimtückischer Mord in der Viersener Kita und Misshandlung von Schutzbefohlenen in einer weiteren Einrichtung in Tönisvorst. Laut Oberstaatsanwalt Lothar Gathen ist bei dem Mord von Heimtücke auszugehen, da sich das Kind in einer arg- und wehrlosen Situation befand.

Mit Erschrecken mussten die Ermittler feststellen, dass es in vergangener Zeit zu ähnlichen Vorfällen in drei ehemaligen Arbeitsstätten der Beschuldigten gekommen war. In Tönisvorst erlitt ein Mädchen am 29. Oktober 2019 ebenfalls einen Atemstillstand und musste unter notärztlicher Behandlung in ein Krankenhaus gebracht werden. In diesem Fall befand sich das Kind zum Tatzeitpunkt mit der Verdächtigen alleine an der Wickelstation. Später erzählte es dann seinem Vater, die Erzieherin habe ihm feste mit der Hand auf den Bauch gedrückt. Zwischen August 2017 und Juni 2018 absolvierte die tatverdächtige Frau ein Praktikum als Anerkennungsjahr in einer Kita in Krefeld. Bereits in den ersten Tagen habe man dort festgestellt, dass sie für den Beruf wenig geeignet sei. Sie habe keine empathische Verbindung zu den Kindern aufbauen können und auch den Punkt nicht erkennen können, an dem bei einem Streit eingeschritten werden sollte. In dieser Einrichtung soll es, ähnlich wie in Viersen, während des Mittagsschlafes zu einem Übergriff gekommen sein. Dort habe die Beschuldigte ein Kind schlafen gelegt und nach rund einer halben Stunde ihren Kollegen teilnahmslos mitgeteilt, dass etwas mit dem Kind nicht stimme. Bei Nachsicht stellten diese dann fest, dass es dem Kind an jeglicher Körperspannung mangelte und es nicht ansprechbar war. Einen Atemstillstand gab es jedoch nicht, wie Kriminaldirektor Manfred Joch berichtete.

Die Beschuldigte ist ledig und 25 Jahre alt. Wie die Stadt Viersen mitteilte, habe sie zu Jahresbeginn 2020 ihre Arbeit in der Kita Steinkreis aufgenommen. Auf eigenen Wunsch endete das Beschäftigungsverhältnis am 30. April, da sie zum ersten Mai eine neue Arbeitsstelle antreten konnte. Der Nachweis über die bestandene Prüfung zur staatlich anerkannten Erzieherin lag der Stadt ebenso vor, wie ein erweitertes Führungszeugnis, das bei einer Einstellung vorgelegt werden muss. Der 22. April war unter Berücksichtigung von Urlaubsansprüchen der letzte Arbeitstag der Mitarbeiterin in der Kindertagesstätte, weshalb sie mittlerweile als ehemalige Erzieherin bezeichnet wird.

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